15. Apr. 2012
Ach Fußball, was machst Du nur mit mir? Am Mittwoch habe ich mir noch gewünscht, ein anderes Hobby zu haben, was für Mädchen, vielleicht etwas mit Pferden, oder in rosa, oder einfach nur mit ohne Fußball, Pöbeln und Herzschmerz.
Und nur drei Tage später könnte ich die ganze Welt umarmen.
Aber von vorn.
Mein Hamburg-Wochenende begann am Freitagabend mit einem Umweg. Nedfuller holt mich immer am Bahnhof ab. Auf dem Weg zu seiner Wohnung fahren wir normalerweise an der Außenalster an dem Hotel vorbei, in dem meist der Gegner absteigt. Heißt: Das Hotel, vor dem der Mannschaftsbus parkt.
Während das früher Glück brachte, schien damit in den letzten Wochen immer das Übel anzufangen. Daher fuhren wir diesmal eine andere Strecke.
Den Weg zum Stadion legten Nedfuller, Timbotania und ich mit gesenktem Blick zurück, denn auch da galt es, auf keinen Fall (Wie sonst oft) den anreisenden gegnerischen Bus zu sehen. Es klappte.
Im Stadion angekommen erwarteten uns Din-A-3-Pappen mit “Wir für Euch – Ihr für uns”-Aufdruck. Fleißige Helfer, darunter auch meine liebe Kommentatorin Carina und ihre Schwester, hatten sie Samstag ab 8.30 Uhr gefaltet und verteilt. Sogar der verletzte Dennis Diekmeier war mit von der Partie.
So sehr ich große Choreos liebe – zuletzt hatten wir damit nie Glück. Das war nicht nur mir aufgefallen, auf Twitter, Facebook und hier in den Kommentaren fiel immer wieder das Wort “Choreofluch”. Es war an der Zeit, ihn zu brechen.
Vor der Choreo gab es, wie immer, Hamburg meine Perle. Da Pape, der Loddo sonst mit der Gitarre begleitet, ausfiel, war es die deprimierendste und traurigste Perle-Version aller Zeiten. Mit auf dem Kran war nämlich der Keyboarder der Barmbek Dream Boys – und irgendwie mußten wir da schon sehr schlucken.
Das war allerdings nichts im Vergleich zum Einlaufen der Mannschaften. 57.000 Pappen gingen in die Höhe. Ein Bild, bei dem ich immer noch Gänsehaut bekomme. Ich war zu ergriffen, um Fotos zu machen, und sah auch irgendwie leicht verschwommen… Nedfuller half mir netterweise mit einem Foto aus:
Dann, endlich, Anpfiff. Denn all dem Elend der letzten Wochen und Monate zum Trotz: Ich hatte Bock auf Fußball. Und den bekam ich überraschenderweise auch!
Während wir auf den Rängen alles gaben, gab auch die Mannschaft auf dem Platz auch alles. Es wurde gekämpft, es war Einsatz da, Aufmerksamkeit, Konzentration.
Schon die Anfangsphase machte Mut. Ballbesitz, Druck nach vorne, erste Schüsse Richtung Tor.
Dann kam die 12. Minute. Son, der kleine, dünne Son, marschierte einfach mit dem Ball am Fuß quer durch halb Hannover und schob ihn dann durch vier Hannoveraner und am Torwart vorbei ins Tor.
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!! Was für ein tolles Tor.
Und es ging weiter, der HSV machte weiter Druck, kurz drauf über einen schnellen Abwurf von Drobny, der über zwei, drei Stationen nach vorne gespielt wurde und wieder bei Son landete. Sie können es ja doch noch!!
Es gab mehrere gute Torchancen, es hat aber nicht sollen sein. Auf der anderen Seite mußte man in der ersten Halbzeit wenig Angst vor Gegentreffern haben, da gab es wenig Situationen.
In der zweiten Halbzeit machte Hannover mehr Druck, es gab einige kritische Situationen, aber Drobny war da, wenn es die Abwehr mal nicht war. Es gab auch weitere HSV-Chancen, aber Zieler rettete, wenns brenzlich wurde.
Um 17.17 Uhr hob der vierte Offizielle sein Täfelchen. Vier Minuten Nachspielzeit. Uff. Es begannen vier Minuten wie vier Jahre.
Ich blickte zur Uhr – 17.17 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.17 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – scheiße, IMMERNOCH 17.17 Uhr? Ist das Ding kaputt?!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – waaaaaaah.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – verflucht, erst 17.18 Uhr.
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – JETZT DRÜCK DOCH MAL EINER DEN SCHNELLVORLAUF DA!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte vorsichtig zur U… DAS KANN DOCH NICHT SEIN!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.19 Uhr. Immer noch zwei Minuten. Verflucht, jetzt mach doch mal einer was! Können wir nicht nochmal wechseln?!
Ich blickte aufs Spielfeld.
Ich blickte zur Uhr – 17.20 Uhr. Noch eine, kommt Jungs, das schaffen wir!
Ich tastete in der Tasche nach der Kamera. Nur nicht zu früh die Anzeigentafel fotografieren, nicht, daß das noch schiefgeht.
Ich machte ein Foto.
Ich sah, wie der Schiri seine Pfeife in den Mund nahm.
Der Rest war Jubel, als hätten wir gerade einen Titel gewonnen.
Endlich, ein Heimsieg. Der erste seit Nürnberg in der Hinrunde. Der erste 2012.
Endlich wieder UFFTA. Wobei, stimmt nicht. Es war eine UFFT. Mit ganz vielen “NUR DER HSV!”s und “NIEMALS ZWEITE LIGA!”s.
Und mit einer Mannschaft, die ausgelassen mit den Fans tanzte und feierte.
Übrigens, bevor hier Fragen aufkommen: Petric spielte nicht, grippaler Effekt. Und wißt Ihr was? Ich habe ihn nicht eine Sekunde vermisst. Son und Berg haben das gestern einfach großartig zusammen gemacht!
Ich wollte nach Abpfiff die ganze Welt umarmen – und fing stellvertretend bei einem Sieges-Bierchen mit Teilen der Timeline an.
Fußball kann so schön sein!
Was bleibt, sind zwei Choreo-Pappen, eine immer noch etwas kratzige Stimme, eine schmerzende rechte Wade (Vom Hüpfen oder vom Torjubel, wer weiß das schon so genau) und ein lädierter linker Arm.
Und ein ganz breites Grinsen. Erleichterung. Hoffnung. Und ganz, ganz viel Liebe für diesen Verein.
In diesem Sinne:
NUR DER HSV!